Mittwoch, 13. Dezember 2006

Zusammenfassung: Hypertext: Assoziation und Vernetzung

von Jakob Krameritsch, aus Wolfgang Schmale [Hrsg.], Schreibguide Geschichte


Was ist ein Hypertext?

Hypertexte könnte man etwa mit Zettelkästen vergleichen. Im Gegensatz zu etwa einem klassischen Buch oder einer Seminararbeit besitzen sie keine lineare Struktur, dass heißt es ist dem Leser / der Leserin frei gestellt wie er / sie sich durch das Themengebiet arbeitet. Das heißt jedoch nicht, dass dies vollkommen Zusammenhangslos passiert, sondern dass die Struktur der Hypertexte folgen eine assoziative, vernetzte ist.

Natürlich ist es auch möglich etwa ein Buch oder eine wissenschaftliche unter anderem mit Hilfe von thematischen Kapiteln multilinear (also auf vielen verschiedenen Wegen) zu lesen.
Daher man kann Texte nicht nur hinsichtlich ihrer Rezeption unterscheiden, da ja wie gesagt die Kapitel eines Buches ebenso assoziatives Lesen bis zu einem gewissen Grad ermöglichen, sondern muss auch ihre Konzeption beachten.
Die Sprachwissenschaftlerin Angelika Storrer hat hierfür 3 Textformen:

1. Monosequenzierte Texte

Hier plant der Autor / die Autorin die vollständige Lektüre eines Textes von Anfang bis Ende. Krimis sind gute Beispiele für monosequenzierte Texte, da ein nichtlineares Lesen einer solchen Lektüre zu einer erheblichen Qualitätsminderung bzw sie fast ad absurdum führen würde.

2. Mehrfachsequenzierte Texte

Bei diesen Texten liegt keine lineare Konzeption mehr vor. Ein typisches Beispiel sind etwa Lexika oder auch manche wissenschaftliche Bücher. Hier kann der Leser / die Leserin bereits nach Belieben vorgehen, muss dies aber nicht.

3. Unsequenzierte Texte

Hier gibt es weder einen vorgegebenen Einstieg noch Schluss, man wählt also fast frei den Weg sich mit dem Thema zu beschäftigen. Aber nur fast, da thematische Verweise (beim Hypertext Links) die Wahl erleichtern.


Der Vorteil des Hypertexts sowohl gegenüber Zettelkästen, als auch gegenüber dem klassischen Buch liegt dabei auf der Hand. Im Gegensatz zum oft langwierigem Suchen und Blättern bei diesen Medien reicht beim Hypertext ein Klick am Computer und der Link öffnet sich und damit den gewünschten Text.


Wie entsteht ein Hypertext?

Bei der Entstehung eines Hypertexts gibt es zwei essentielle Bausteine:

Der erste ist der Text selbst, oder besser gesagt die Texte selbst. Ein Hypertext besteht nicht aus einer 5 – Seitigen Ausführung über das Themengebiet, sondern aus vielen kleineren Einheiten die in sich geschlossen Sinn ergeben müssen. Gleichzeitig dürfen sie dabei allerdings keine völlig abgeschlossenen Einheiten darstellen, denn sie sollen ja Assoziationen und vernetzende Gedanken fördern. Kurz gesagt sie müssen kontextoffen für das Gesamtthema des Hypertextes sein, die Einheit ja nur einen Subteil dessen darstellt. Die Schwierigkeit dabei ist zusätzlich, dass alle diese Kriterien in einen prägnanten, aussagekräftigen Text gepackt werden müssen der noch dazu attraktiv zu lesen sein sollte.

Der zweite Baustein sind dann die Querverbindungen, also Links die die Textmodule miteinander verknüpfen. Diese erst machen den Hypertext zu dem was er eigentlich ist: ein vernetzter Text, der auf so viele Arten entdeckt wird wie Menschen ihn lesen. Dabei überlegen sich Autor/innen natürlich mögliche Assoziationsmuster, schließlich sollen die Assoziationen bei all ihren Freiheiten immer noch sinnvoll sein. Deswegen erstellt man so genannte „typisierte Links“ , dass heißt das nicht jeder Text mit jedem verlinkt wird, sondern dass jedem Text bestimmte Attribute zugeordnet werden und nur Texte mit gleichen Attributen verlinkt werden.

Praxisberichte bei der Hypertextschreibung: pastperfect.at

Bei der letzten Aufgabe habe ich die Homepage www.pastperfect.at näher beschrieben. Sie dient nun als Erfahrungsbericht, wie Team von Wissenschafter/innen eine solche Aufgabe gemeistert hat und welche Probleme sich dabei ergeben haben.

Ziel des Projekts war/ist es, die Leser/innen für das 16. Jahrhundert in Europa zu Begeistern und ihnen die verschiedensten Aspekte dieser Epoche näher zu bringen. Ein Team von 10 engagierten Historiker/innen formierte sich zu diesem Zweck und entschied sich für ein in der Geschichtswissenschaft zwar nicht unbekanntes aber doch neueres Mittel: den Hypertext.

In einem ersten Schritt wurden die Zuständigkeiten für die verschiedensten Themenbereiche die die Homepage enthalten soll verteilt, dann wurde relativ schnell klar, dass es bei so vielen verschiedenen Autor/innen Standards braucht um den Text möglichst einheitlich zu gestalten. Dabei stellten bereits zu Beginn einige Fragen:

An wen richten wir unsere Texte, wenn wir für das WWW schreiben?
Wie viel Wissen lässt sich voraussetzen?
Wie kann ein Sachverhalt konzis und präzis beschrieben werden, ohne dass eine Einheit zu lang/zu langatmig wird?
Wie umfangreich muss eine informationelle Einheit, eine Geschichte sein, um eine problemorientierte, zeitgemäße historische Perspektive entwickeln zu können, anstatt bloß enzyklopädisch-trocken zu schreiben und so die Illusion zu erwecken, eine bloße historische Tatsache zu formulieren „wie sie wirklich gewesen ist“?
Welches Maß an Granularität ist also sinnvoll?


Durch die Arbeit im Team wurde natürlich ständiges Abgleichen und Kontrollieren ein wichtiger Faktor. Ein Content Management System (CMS) erleichterte die Arbeit an der Homepage wesentlich. Es verknüpft Texte denen gleiche Attribute zugeordnet wurden automatisch und erspart somit mühsames händisches Link setzen. Über das CMS konnten sich die Mitarbeiter/innen des Projekts außerdem laufen über dessen Stand online informieren und das Schreiben wurde zum kollektiv-kreativen Prozess. Dabei war die Verknüpfung der verschiedenen Texteinheiten zentraler Punkt Aufgrund der vielen Verknüpfungsmöglichkeiten entstanden nämlich auch für die Autor/innen selbst neue inhaltliche Aspekte die ihnen vor pastperfect verborgen geblieben waren.


Hypertextcreator

Doch pastperfect ist nicht das einzige Projekt dieser Art. Eines der bekanntesten ist etwa Wikipedia. Diese online Enzyklopädie beruht auf der Software Media Wiki, die es jeder Person gestattet schnell und unkompliziert Artikel zu beliebigen Themen online zu stellen und für andere frei zugängig zumachen. Derzeit arbeiten 250 000 Menschen freiwillig bei Wikipedia mit, darunter auch Wissenschafter/innen.

Auch auf der Uni gewinnt sowohl die Wissensvermittlung, als auch die wissenschaftliche Kommunikation via Internet immer mehr an Bedeutung. Mit den Erfahrungen von pastperfect wurde im Zuge dessen ein CMS entwickelt, dass für den Schul- bzw. Universitätsbetrieb geeignet ist – der Hypertextcreator.

Technisch einfach zu bedienen soll der Hypertextcreator die Fähigkeiten von Schüler/innen und Studierenden zu miteinander zu arbeiten, kommunizieren und auch neues Wissen zu produzieren fördern. Er bietet dabei als themenneutrale „Plattform“ die ideale Vorraussetzung.

Nachdem das Thema gewählt wurde kann man quasi bereits mit der Arbeit beginnen. Dabei sind die oben genannten Regeln beim Schreiben für einen Hypertext zu beachten: Prägnante, kontextoffene Einheiten, die per Attribute mit einander verknüpft werden. Es können sogar Bild und Ton Dateien auf den Hypertextcreator gestellt werden. So ist es selbst während des Studiums möglich einen offenen immer weiter entwickelbaren Wissensraum zu schaffen, ohne dabei Programmierexpert/in zu sein.


Kommentar

Der Text beschreibt ausführlich die Möglichkeiten die Hypertext in der Wissenschaftlichen Arbeit bietet. Dabei werden die verschiedensten Aspekte klar dargelegt und ausführlich beschrieben. Das Praxisbeispiel Pastperfect bietet zusätzlich eine anfassbare Komponente, dass heißt dass die Theorie hier auf ein in die Tat umgesetztes Projekt herunter gebrochen wird und somit näher in die Realität auch von sonst nicht sonderlich an elektronischen Medien interessierten Leuten rückt.
Trotzdem fehlen die Probleme die das Internet bei all seinen Vorteilen für das wissenschaftliche Arbeiten mit sich bringt. Der freie Zugang zu Informationen wird bereits durch kostenpflichtige oder auf eine bestimmte Gruppe beschränkte Angebote Stück für Stück ersetzt. Auch das Internet, dass mit der Open Source Technologie für einige Zeit lang eine Nische zu werden schien wird nun Teil des freien Marktes werden und hier zählt in erster Linie bekanntlich der Profit. Damit ergeben sich gerade für die Wissenschaft sicherlich einige Herausforderungen. Denn wie sich die Wissenschaft im Internet weiter etablieren wird bleibt eine Spannende Frage. Wird der wissenschaftliche Dialog oder die Vermarktung wissenschaftlicher Ergebnisse im Vordergrund stehen? Was passiert mit den Bevölkerungsschichten, die keinen oder nur beschränkten Zugang zum Internet haben? Sie „verpassen“ bereits jetzt die rasanten Schritte der Weiterentwicklung dieses Mediums und es bleibt fraglich ob sie dies je wieder aufholen werden können.
Das Internet bietet also sowohl die Möglichkeit der Demokratisierung des Wissens als auch die der Elitenschmiede. Projekte wie der Hypertextcreator steuern sicherlich auf ersteres hin und sind aus meiner Sicht deshalb essentielle Bausteine für ein Verständnis von Wissensvermittlung möglichst viele Schichten der Gesellschaft. Somit tragen sie nicht nur zur Demokratisierung des Wissens, sondern auch zur Demokratisierung der gesamten Gesellschaft bei, denn gleichberechtigter Zugang zu Wissen ist essentiell für eine möglichst egalitäre Gesellschaft.

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